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Thomas König

Was für eine grässliche Untersuchung! Welch unkritische Analyse!

Gütekriterien für sozialwissenschaftliche Untersuchungen

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Zu fast jedem gesellschaftlich relevantem Thema gibt es heutzutage mehrere sozialwissenschaftliche Untersuchungen. Diese Fülle an Untersuchungen erfordert es, die "Spreu vom Weizen zu trennen". Dies ist jedoch leichter gesagt als getan, weil völlig disparate Kriterien für die Güte sozialwissenschaftlicher Untersuchungen existieren. Zudem gibt es kaum Kommunikation zwischen den Vertretern unterschiedlicher Forschungstraditionen über allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe. So kommt es, dass beispielsweise Konstruktivisten völlig andere Maßstäbe an Untersuchungen als rational choice Theoretiker anlegen, auch wenn sie inhaltlich an den gleichen Themen und mit ähnlichen Theorien arbeiten. Dieser bedauerliche Zustand soll mit diesem Seminar ein wenig verbessert werden, indem Gütekriterien unterschiedlichster Herkunft miteinander verglichen werden sollen.
Das Seminar ist in 5 Abschnitte gegliedert. Nach einem groben Überblick über den Stand der Dinge hinsichtlich der Güte der heutigen Sozialforschung sollen in Teil II die klassischen formalen Gütekriterien sozialwissenschaftlicher Untersuchungen - Validität, Reliabilität, parsimony, empirische Falsifizierbarkeit " vorgestellt werden. Teil III befasst sich mit inhaltlichen Gütekriterien. In Teil IV werden dann statistische Gütekriterien vorgestellt und geprüft, ob diese die in Teil II oder III erarbeiteten Kriterien widerspiegeln. Im letzten Teil des Seminars werden dann ausgewählte Untersuchung anhand der erarbeiteten Gütekrierien bewertetet.
Lernorganisation: Um eine fruchtbare Seminardiskussion zu ermöglichen, wird von den Seminarteilnehmern/-innen erwartet, dass sie die angegebene Pflichtlektüre vor der jeweils angebenden Sitzung durcharbeiten.
Leistungsnachweise: Als Leistungsnachweis sind wöchentliche Aufgaben zur jeweiligen Literatur zu bearbeiten, diese sollten mittels StudIP den Mitstudierenden zugänglich gemacht werden. Außerdem wird ein Sammelreview von drei oder vier Studien zu einem Thema erwartet. Dieser Sammelreview sollte die im Seminar erlangten Erkenntnisse anwenden. Das Thema sollte möglichst aus dem Gebiet der politischen Soziologie oder der Kultursoziologie gewählt werden.
Teilnahmevoraussetzungen: Bereitschaft zur Lektüre englischer Texte, Kenntnisse in Statistik (mindestens auf dem Niveau von Statistik I und II), Grundkenntnisse in empirischer Sozialforschung und soziologischer Theorie. Kenntnisse in Epistemologie, konstruktivistischen Theorien, quantitativen Methoden (z.B. Regressionsanalyse, log-lineare Modelle oder strukturelle Gleichungsmodelle) und/oder Stochastik von Vorteil.

Acrobat Document Seminarplan (Druckversion)

I Einführung

Woche 1: Organisatorisches

Vorstellung des Seminarplans.

empfohlene Literatur (für das gesamte Semester)

Woche 2: Der Stand der Dinge

In einem zugleich unterhaltsamen und fundiert argumentierenden Essay über den Stand der soziologischen Forschung am Ende des 20. Jahrhunderts zeigt der frühere NORC-Chef James A. Davis die typischen Stärken und Schwächen der gegenwärtigen akademischen soziologischen Forschung auf. Die Fragen, die Davis aufwirft werden uns über das Seminar hinweg beschäftigen.

Pflichtlektüre
empfohlene Literatur

II Formale Gütekriterien

Im ersten inhaltlichen Abschnitt des Seminars werden die gebräuchlichsten formalen Gütekriterien für Sozialforschung vorgestellt.

Woche 3: Validität: Theorie

(Fast) alle Studierenden der Sozialwissenschaften lernen im Kurs zur empirischen Sozialforschung, dass man auf die Validität von Indikatoren achten muss. Was aber soll man genau unter Validität verstehen. Welche gängigen Typen der Validität gibt es?

Pflichtlektüre
empfohlene Literatur

4: Validität: Praxis

Theoretisch ist das Konzept der Validität recht eindeutig zu fassen; auch ergeben sich aus ihm relativ eindeutige methodische Vorgaben. Letztere sind jedoch nicht so konkret, dass sie in der Forschungspraxis ohne Bezug auf die jeweilige Fragestellung und die jeweils gewählte Methode -- die natürlich gleichfalls nach Validitätsgesichtspunkten ausgewählt werden sollte " angewendet werden könnte. Am Beispiel von Daten für außerinstitutionelles kollektives Handeln, die mit Hilfe von Zeitungsberichten erhoben werden, soll daher untersucht werden, wie Validierungsversuche in der Forschungspraxis unternommen werden.

Pflichtlektüre 
empfohlene Literatur

Woche 5: Reliabilität

Forschungsergebnisse sollten replizierbar sein. Das mag in den Naturwissenschaften ein relativ leichtes Unterfangen sein. Gesellschaft ist jedoch ständig im Wandel, und Messungen soziologischer Konstrukte sind häufig nur sehr indirekt. Wie weit muss man die Forderung nach Wiederholbarkeit trotzdem aufrechterhalten?

Pflichtlektüre 
empfohlene Literatur

Woche 6: Sparsamkeit (parsimony)

"Das muss man aber differenziert sehen!" Entgegen der unter Studierenden der Sozialwissenschaften weit verbreiteten These, dass stärkere Differenzierung immer ein Mehr an Erkenntnisgewinn verspricht, ist die eigentliche Aufgabe der Wissenschaft eine (sinnvolle) Vereinfachung der sozialen Realität.

Pflichtlektüre

Rasieren Sie sich bitte ausserdem mit Occam's Razor!

Woche 7: Empirische Falsifizierbarkeit …

Im so genannten Positivismusstreit in der deutschen Soziologie bestanden die Kritischen Rationalisten auf das Kriterium der empirischen Falsifizierbarkeit als das sine qua non sozialwissenschaftlicher Theorien.

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empfohlene Literatur

III  Inhaltliche Gütekriterien

Woche 8: … vs. Gesellschaftskritik (?)

Die Frankfurter Schule bemängelt an der Forderung nach der empirischen Falsifizierbarkeit unter anderem, dass ein zu starker Bezug auf Erfahrung inhärent konservativ wirke. Zusätzlich zu formalen Gütekriterien verlangen die Frankfurter nach inhaltlichen Kriterien für Sozialforschung

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empfohlene Literatur

Woche 9: Konstruktivismus I: Kategorienbildung " Theorie

Obwohl Konstruktivismus seit mehr als einem Jahrzehnt en vogue ist, gibt es bisher kaum systematisch entwickelte Kriterien, mit denen konstruktivistische Ansätze bewertete werden können. Luhmann und Bourdieu et al. stellen einige solcher Kriterien auf, darunter der altbekannte, aber nicht intuitive Hinweis, dass gesellschaftliche Konzepte keinen unmittelbaren Eingang in Gesellschaftstheorien finden sollten. Obwohl die Nützlichkeit der hier vorgestellten Richtlinien eigentlich unbestritten ist´, werden sie dennoch in vielen - auch konstruktivistischen " Untersuchungen missachtet.

Pflichtlektüre 

Woche 10: Konstruktivismus II: Kategorienbildung " Praxis

Am Beispiel des Konzepts der Gesellschaft wird gezeigt, dass (und weshalb) viele theoretische Ansätze einen zu naiven Zugang zur gesellschaftlichen Realität haben.

Pflichtlektüre 
empfohlene Literatur

Woche 11: Konstruktivismus III: The Social Construction of What?

Das vergangene Jahrzehnt hat Analyse sozialer Konstruktionen in ungekanntem Ausmaß hervorgebracht. Was aber bedeutet es, wenn Phänomene wie "Ehe", "Felsen", "Nationen", "Geschlechter", "Türklinken" sozial konstruiert sind? Wann ist es sinnvoll, wann notwendig und wann tautologisch von sozialer Konstruktion zu sprechen? Wie kann man das Verhältnis von sozialer Konstruktion und objektiver Realität, sofern es letztere gibt, konzeptualisieren? Diesen Fragen geht Hacking nach. Übrigens: Ein Kapitel befasst sich tatsächlich mit der sozialen Konstruktion von Felsen.

Pflichtlektüre 

IV  Statistische Gütekriterien

Im letzten Abschnitt des Seminars werden wie sehen, wie die in Teil II und III gewonnenen Einsichten auf quantitative Daten angewandt werden können.

Woche 12:  Assoziationsmaße

Bei Assoziationsmaßen gilt in der Sozialforschung allzu oft das Motto "je größer, desto besser". Diese Vorgehensweise berücksichtigt jedoch weder die spezifischen Eigenschaften der verschiedenen Assoziationsmaße noch die Verbreitung dieser Maße in der Literatur. Buchanan zeigt die daraus resultierenden Probleme auf.

Pflichtlektüre 

Woche 13: Bayes'sche Gütekriterien I

Mit Hilfe traditioneller statistischer Gütekriterien wie dem ×2 oder dem Kolmogorov-Smirnov-Test können nur genestete (d.h. verschachtelte) Modelle miteinander verglichen werden. Dies ist gerade deshalb bedauerlich, weil die meisten Theoriealternativen von unterschiedlichen Erklärungsfaktoren für soziale Phänomene ausgehen, also nicht genestet sind. Außerdem bewerten traditionelle statistische Gütekriterien die Komplexität eines Modells nicht angemessen. In letzter Zeit werden deshalb immer öfter auf Bayes'scher Statistik beruhende Indices vorgeschlagen, die diese Problematik umgehen.

Pflichtlektüre 
empfohlene Literatur

Woche 14: Bayes'sche Gütekriterien II

Die Diskussion der vergangenen Woche wird fortgesetzt.

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empfohlene Literatur

V  Abschlussdiskussion

Woche 15: Abschlussdiskussion

Auf Wunsch wird die Abschluss-Sitzung als Wochenend-Seminar durchgeführt. In diesem Fall sollten die TeilnehmerInnen Studien, die sie mit den während des Seminars vorgestellten Gütekriterien bewertet haben, vorstellen.

Pflichtlektüre 
empfohlene Literatur

siehe Woche 1 & 2


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